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Gründung der Initiative gegen das "Optionsmodell"

Erstes Arbeitstreffen • 21.02.2013 17:00 Uhr
Kanzlei gençer & coll. Nürnberg

Angesichts einer einhelligen Meinungsbildung in juristischen Kreisen wird eine Initiative gegen das "Optionsmodell" gegründet, die ein organisiertes rechtliches Vorgehen gegen § 29 Staatsangehörigkeitsgesetz (StA) anstrebt.

 

§ 29 StA belastet dabei eine Gruppe von Staatsbürgern unter anderem mit dem Zwang, sich von sämtlichen nicht-deutschen Staatsangehörigkeiten zu lösen, um die deutsche Staatsangehörigkeit nicht zu verlieren. Diese ins Leben gerufene Initiative, die sich aus fachlich spezialisierten Juristinnen und Juristen zusammensetzt, tagt anlässlich ihrer Gründung erstmals am Donnerstag, den 21.02.2013 um 17:00 Uhr in den Räumlichkeiten der Kanzlei gençer & coll. in Nürnberg.

I. Durch Geburt im Inland (sogenanntes Optionsmodell)

Die im Jahre 1998 nach 16 Jahren schwarz-gelb regierter Bundespolitik an die Macht gekommene rot-grüne Regierung wollte unter Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einer Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts die doppelte Staatsangehörigkeit ohne Einschränkungen ermöglichen. Dieses Vorhaben führte in den Jahren 1998 und 1999 zu einer seitens der CDU/CSU organisierten Unterschriftenaktion mit dem Motto "Ja zu Integration - Nein zu doppelter Staatsangehörigkeit", die vor allem im hessischen Landtagswahlkampf unter der Führung des regierenden Ministerpräsidenten Roland Koch die Stimmung im Wahlkampf polarisierte und diesem letztlich auch zu seinem Wahlsieg verhalf.

Dieser Wahlkampf zeigte deutlich, dass die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft in der gesellschaftlichen Diskussion stark umstritten war, weshalb die rot-grüne Regierung bei der Durchsetzung ihres Wahlversprechens im Rahmen der Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts auch Kompromisse eingehen musste.

 

Eine Neuerung sollte dabei das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht insoweit erfahren, als in Deutschland geborene Kinder nunmehr nicht nur allein aufgrund ihrer Abstammung, sondern auch aufgrund der Geburt im Inland die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben sollten. Da diese Regelung für viele der Betroffenen im Ergebnis zu einer doppelten Staatsbürgerschaft geführt hätte, musste die rot-grüne Regierung als Kompromisslösung zu Gunsten der konservativen Kräfte eine Regelung treffen, wonach sich die Betroffenen spätestens zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr endgültig für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden müssen.

 

Dabei wurde ferner festgesetzt, dass die Betroffenen, die bis zu ihrem 23. Lebensjahr keine Entscheidung zu Gunsten einer der beiden Staatsbürgerschaften getroffen haben, die deutsche Staatsbürgerschaft wieder verlieren sollten.

Die konkrete Rechtslage stellt sich gegenwärtig wie folgt dar:

  1. Ein Kind, dessen Eltern beide nicht deutscher Abstammung sind und das nach dem 01.01.2000 im Inland geboren wurde, erhält die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn jedenfalls ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes seit mindestens acht Jahren seinen rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und hierfür ein unbefristetes Aufenthaltsrecht gemäß § 4 Abs. 3 StAG besitzt.
  2. Kinder, die dagegen vor dem 01.01.2000 im Inland geboren wurden, haben gemäß § 40b StAG für die Dauer eines Jahres die Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft zusätzlich zur Staatsbürgerschaft ihrer Abstammung durch Einbürgerung zu erlangen, soweit bei dessen Geburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG vorgelegen haben, das Kind am 01.01.2000 seinen rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und dabei das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Mithilfe dieser Übergangsregelung wurden in Deutschland insgesamt ca. 50.000 Personen eingebürgert.
  3. Dabei ist zu beachten, dass Kinder, die aufgrund oben benannter Regelungen entweder kraft Gesetzes oder mittels Einbürgerung nach § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, in der Regel aufgrund ihrer Abstammung auch mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. Diese Kinder sind dann zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr gemäß § 29 StAG verpflichtet, gegenüber der jeweils zuständigen staatlichen Stelle eine Erklärung dahingehend abzugeben, welche Staatsangehörigkeit sie behalten möchten (Erklärungspflicht, Optionszwang). Dabei ist zu beachten, dass für den Fall, dass diese Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft wählen, sie dabei gleichzeitig ihre andere(n) Staatsbürgerschaft(en) aufgeben müssen. Das sog. Nichtoptieren, also das Unterlassen der Abgabe einer solchen Erklärung, führt dabei wie bereits geschildert ebenfalls zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.

Lediglich in Ausnahmefällen kann auf Antrag eine Beibehaltungsgenehmigung gemäß § 29 Abs. 4 StAG erteilt werden, die eine Bewahrung beider Staatsangehörigkeiten ermöglicht. Eine solche Beibehaltungsgenehmigung wird in der Regel erteilt, wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht zumutbar oder nicht möglich ist. Darüber hinaus kann eine Beibehaltungsgenehmigung auch dann erteilt werden, wenn die Mehrstaatigkeit aufgrund einer Einbürgerung unter den gegebenen Bedingungen nach § 12 StAG hinzunehmen wäre.

II. Politische und verfassungsrechtliche Bedenken

1.
Politisch wird dieses "Optionsmodell" vielfach aufgrund der - wenn auch nur vorübergehenden - Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaft, die aus politischen Gründen oftmals nicht gewollt ist, kritisiert. Befürworter des Optionsmodells, die die Vermeidung der Mehrstaatigkeit im Sinne des öffentlichen Interesses favorisieren, gehen allerdings davon aus, dass das Optionsmodell gerade zur langfristigen Vermeidung von Doppel- und Mehrstaatigkeit führt. Gegner des Optionsmodells, die ihrerseits keine politische Notwendigkeit zur Vermeidung von Mehrstaatigkeit sehen, halten dieses allerdings für integrationspolitisch und verfassungsrechtlich bedenklich.

2.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf das Optionsmodell richten sich insbesondere gegen § 29 StAG, wonach Betroffene, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verlieren wollen, gleichzeitig alternativlos dazu gezwungen werden, sämtliche nicht-deutschen Staatsangehörigkeiten aufzugeben. Diese Regelung verstößt insoweit gegen Art. 16 GG, als danach der Entzug bzw. der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht dem Willen und Einflussbereich des Bürgers unterliegt. Dieser verfassungsrechtliche Verstoß ist äußerst bedenklich und wird von vielen Stimmen in der Fachwelt scharf kritisiert. In der juristischen Fachpresse wurde das Optionsmodell sogar schon aufgrund seiner langjährigen Wirkung als "Zeitbombe auf 23 Jahre" bezeichnet.

a)
Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 29 StAG liegen einerseits darin begründet, dass der Betroffene die deutsche Staatsangehörigkeit teilweise noch nicht einmal aufgrund eines Willensaktes, sondern aufgrund eines reinen Realaktes zum Zeitpunkt seiner Geburt erwirbt. Aber auch später unterliegt die Entscheidung des Betroffenen in der Regel nicht einer freiheitlichen Willensentscheidung, sondern dem Optionszwang. Damit hat der Betroffene praktisch keine freie Entscheidungsmacht über die Frage seiner Staatsangehörigkeit, was im Ergebnis einen Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstellt.

b)
Dabei wird auch scharf kritisiert, dass selbst für den Fall, dass es ein öffentliches Interesse zur Vermeidung von Mehrfachstaatsangehörigkeiten geben sollte, diesem öffentlichen Interesse jedenfalls kein Verfassungsrang zukäme, weshalb hierüber auch keine Grundrechtseinschränkung gerechtfertigt werden könne.

c)
Darüber hinaus wird häufig beanstandet, dass § 29 StAG das in Art. 16 GG normierte absolute Entzugsverbot der Staatsangehörigkeit, das weder einen Gesetzesvorbehalt noch sonstige Schranken vorsieht, aushöhlt. Auch insoweit liegt ein verfassungsrechtlicher Verstoß gegen das Grundgesetz vor.

d)
Zudem gibt es auch immer mehr Stimmen, die insoweit einen Verstoß von § 29 StAG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG begründet sehen, als § 29 StAG unfreiwillige Mehrstaater ohne rechtfertigendes Differenzierungskriterium wie folgt unterscheidet: Betroffene, die dem sog. Ius-sanguinis-Prinzip unterliegen (z.B. Kinder eines deutschen und eines ausländischen Staatsangehörigen, die beide Staatsbürgerschaften auf Dauer behalten können) werden dabei gegenüber solchen Betroffenen, die ihre Staatsangehörigkeit nach dem sog. Ius-soli-Prinzip erworben haben - ohne objektiven Grund - besser gestellt.

e)
§ 29 StAG ist allerdings nicht nur auf verfassungsrechtliche Ebene bedenklich, sondern verstößt möglicherweise auch auf internationaler Ebene gegen das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip, wonach ein Staat die Staatsangehörigkeit auf nationaler Ebene nicht so ausgestalten darf, dass er dabei in die Staatsangehörigkeitsverhältnisse anderer Staaten eingreift.

f)
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Problematik des Optionsmodells unmittelbar mit der Dauerhaftigkeit der Staatsangehörigkeit zusammenhängt. Die größte Kritik, die das Optionsmodell in der Fachliteratur erfährt, bezieht sich auf die "Gewährung unter Vorbehalt". Nicht zuletzt sollte ein Staat die Gewährung seiner Staatsangehörigkeit im Sinne integrationspolitischer und verfassungsrechtlicher Ziele weder von einem zeitlich beschränkten Rahmen, noch von willkürlich bestimmten Kriterien abhängig machen.

III. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

In seinem Urteil aus dem Jahre 2005 zum Europäischen Haftbefehl definierte das Bundesverfassungsgericht erstmalig den Schutzbereich von Art.16 GG. Darin stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Staatsangehörigkeit grundsätzlich gerade aufgrund des geschichtlichen Hintergrunds im nationalsozialistischen Deutschland nicht gelöst werden darf. Darüber hinaus darf auch keine Gruppe von Staatsbürgern durch Gesetz wegdefiniert und von dieser Verbindung ausgeschlossen werden. Zudem ist es nach Aussage des Bundesverfassungsgerichts mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar, wenn Staatsbürger auf eine andere Rechtsordnung verwiesen werden, auch wenn sie hierzu einen Bezug haben sollten.

IV. Rechtliche Würdigung und Ziele der Initiative

Die Mitglieder der Initiative gegen das Optionsmodell sind nach alledem einhellig der Auffassung, dass § 29 StA nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und daher für verfassungswidrig erklärt werden muss. Nachdem Anfang 2013 die ersten ca. 50.000 Betroffenen, die aufgrund der Übergangsregelung des § 40b StAG in den Genuss der Einbürgerung ohne Abstammung gekommen waren, sich nunmehr für eine ihrer Staatsbürgerschaften entscheiden müssen, möchte die Initiative die Betroffenen ermutigen, sich diesem Zwang zu widersetzen und gegen die künftigen Verwaltungsakte, die auf den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft gerichtet sein werden, rechtlich vorzugehen.

 

Diese Initiative möchte die Betroffenen hierbei aktiv unterstützen und gewährleistet dabei über ihre Mitglieder die konkrete rechtliche Beratung und notfalls auch die gerichtliche Vertretung der Betroffenen.

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